Wohlbefinden und soziale Beziehungen
Kinder, die unbeschwert und fröhlich sind und über ein positives Selbstwertgefühl verfügen, haben es leichter, sich gut zu entwickeln und von Bildungsangeboten in Kindertageseinrichtungen zu profitieren.
Wohlbefinden und soziale Beziehungen in der Kita
Geht ein Kind gern in den Kindergarten? Fühlt es sich wohl in der Gruppe? Hat es Freundinnen und Freunde? Solche Fragen sind nicht nur für Eltern und Kinder zentral, sondern auch für Fachkräfte in den Einrichtungen, die mit den Kindern pädagogisch arbeiten. Kinder, die unbeschwert und fröhlich sind und über ein positives Selbstwertgefühl verfügen, haben es leichter, sich gut zu entwickeln und von Bildungsangeboten in Kindertageseinrichtungen zu profitieren. Eine solche positive Grundgestimmtheit ist teilweise eine Frage des Temperaments (vgl. z.B. Buss & Plomin 1984). Zum anderen Teil spielen aber die Lebensumstände eine ausschlaggebende Rolle, etwa ob ein Kind emotionalen Rückhalt aus einer sicheren Bindung an die Eltern hat oder ob sich – in der Kita – eine gute Beziehung zur pädagogischen Fachkraft entwickelt hat (vgl. z.B. Ahnert 2004; Becker-Stoll & Textor 2007). Das Wohlbefinden von Kindern ist also einerseits Voraussetzung dafür, dass ihre Lern- und Entwicklungsprozesse gelingen. Andererseits zeigt Wohlbefinden von Kindern auch an, ob sie unter förderlichen Bedingungen aufwachsen: Kinder fühlen sich in Einrichtungen vor allem dann wohl, wenn sie Entwicklungsbedingungen vorfinden, die ihren Bedürfnissen entsprechen (Laevers 2003; Ulich und Mayr 2003).
Wissenschaftlicher Hintergrund
In sozialen Beziehungen spielt das Temperament eines Kindes ebenfalls eine gewisse Rolle (vgl. z.B. Buss & Plomin 1984). Zentrale Impulse werden aber auch hier von der Umwelt gesetzt: In der Familie sind unter anderem das elterliche Vorbild von Bedeutung, das Erziehungsverhalten von Vater und Mutter und die Bindungsbeziehungen zu den Eltern, aber auch wie die Familie die soziale Lebensumgebung ihres Kindes gestaltet, z.B. wie sie Beziehungen zu anderen Kindern und Freundschaften konkret unterstützt (Schmidt-Denter 2005). Der Besuch einer Kindertageseinrichtung eröffnet eine zweite wichtige Ebene, Beziehungen zu gestalten. Für viele Kinder bietet die Kita die erste Gelegenheit, regelmäßig mit einer größeren Gruppe von Gleichaltrigen in Kontakt zu kommen. In der Gruppe „seinen“ Platz zu finden, Beziehungen und Freundschaften zu anderen Kindern zu gestalten – das sind zentrale Entwicklungsaufgaben im Alter von drei bis sechs Jahren (Kasten 2008; Schmidt-Denter 2005; Spangler & Zimmermann 1999).
Beziehungen zu anderen Kindern
Ob ein Kind sich wohlfühlt und ob es befriedigende Beziehungen zu anderen Kindern hat, hängt von bestimmten Kompetenzen der Kinder ab. Hier zeigen sich Querverbindungen zu anderen Entwicklungsbereichen in KOMPIK, besonders zu „Soziale Kompetenzen“ und „Emotionale Kompetenzen“. Kinder, die sich nicht gut selbst behaupten können, fühlen sich nicht sehr wohl. Kinder, die weniger kooperatives und mehr aggressives Verhalten zeigen, haben schlechtere Beziehungen zu Gleichaltrigen (Mayr 1992a; Perren et al. 2008). Vergleichbares gilt für sehr schüchterne Kinder (Mayr 1992b). Insgesamt werden Kinder mit guten emotionalen und sozialen Kompetenzen besser von Gleichaltrigen akzeptiert, haben mehr Kontakte im Kindergarten und mehr Freundinnen und Freunde (zusammenfassend: Petermann & Wiedebusch 2003). Darüber hinaus sind gute Beziehungen und Freundschaften mit Gleichaltrigen langfristig wichtig für die schulische und die sozial-emotionale Entwicklung (Rubin et al. 1998). Soziale Netzwerke und Nachbarschaften können Kindern bei der Bewältigung akuter Probleme Rückhalt bieten und helfen, produktiv mit Belastungen umzugehen (Hurrelmann 2006).
Wohlbefinden und Gesundheit
Psychisches Wohlbefinden und gute soziale Beziehungen spielen eine große Rolle im Rahmen übergreifender Konzepte von „Gesundheit“ und „positiver Entwicklung“. Sie sind etwa Bestandteil der globalen Definition von „Gesundheit“ durch die Weltgesundheitsorganisation als „Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens“ (WHO 2006). Auch das Konzept der „subjektiven Gesundheit“ bzw. „gesundheitsbezogenen Lebensqualität“ umfasst emotionale und soziale Komponenten von Wohlbefinden (Bullinger 2000; Ravens-Sieberer et al. 2007). Becker (1986, 1997) sieht „positive Befindlichkeit“ und „positives Selbstwertgefühl“ als wesentliche Indikatoren für „seelische Gesundheit“. Das
Konzept der Resilienz (Werner 1971; Werner & Smith 1982) zielt auf Schutzfaktoren ab, die eine positive Entwicklung ermöglichen – besonders auch unter widrigen Bedingungen bzw. bei Vorliegen bestimmter Risikofaktoren. Als wesentliche personale Schutzfaktoren werden unter anderem ein positives Selbstwertgefühl, gute soziale Beziehungen sowie eine positive Emotionalität genannt (zusammenfassend: Mayr & Ulich 2003).
Wohlbefinden und soziale Beziehungen bei KOMPIK
Der KOMPIK-Bereich „Wohlbefinden und soziale Beziehungen“ umfasst zwei Teilbereiche:
- Psychisches Wohlbefinden: Im Teilbereich Psychisches Wohlbefinden geht es um Wohlbefinden (z.B.: Ist ein Kind ausgeglichen, fröhlich, unbeschwert?) und um ein positives Selbstwertgefühl (z.B.: Ist ein Kind stolz, wenn es etwas geschafft hat?).
- Soziale Beziehungen: Im Teilbereich Soziale Beziehungen ist zu beobachten, ob ein Kind positive Beziehungen mit anderen Kindern hat (gute Kontakte, Freundschaften) und wie sein sozialer Status in der Gruppe ist (z.B.: Ist ein Kind als Spielpartner gefragt? Hat es Einfluss in der Gruppe?).
Ansprechpartner
Literatur
Ahnert, L. (2004). Bindungsbeziehungen außerhalb der Familie: Tagesbetreuung und Erzieherinnen-Kind-Bindung. In L. Ahnert (Hrsg.). Frühe Bindung. Entstehung und Entwicklung. München: Reinhardt. 256-277.
Becker, P. (1986). Erste Überprüfung der Theorie der Seelischen Gesundheit. In: P. Becker & B. Minsel (Hrsg.). Psychologie der seelischen Gesundheit. Göttingen: Hogrefe. 91-119.
Becker, P. (1997). Psychologie der seelischen Gesundheit. Band 1. Theorien, Modelle, Diagnostik. 2. Auflage. Göttingen: Hogrefe.
Becker-Stoll, F., & Textor, M. R. (2007). Die Erzieherin-Kind-Beziehung. Zentrum von Bildung und Erziehung. Mannheim: Cornelsen Scriptor.
Bullinger, M. (2000). Lebensqualität – Aktueller Stand und neuere Entwicklungen der internationalen Lebensqualitätsforschung. In: U. Ravens-Sieberer & A. Cleza (Hrsg.). Lebensqualität und Gesundheitsökonomie in der Medizin. Konzepte – Methoden – Anwendungen. Landsberg: Ecomed.
Buss, A. H., & Plomin, R. (1984). Temperament: Early developing personality traits. Hillsday, New Jersey: Lawrence Earlbaum Associates.
Hurrelmann, K. (2006). Gesundheitssoziologie. Weinheim: Juventa.
Kasten, H. (2008). Soziale Kompetenzen. Entwicklungspsychologische Grundlagen und frühpädagogische Konsequenzen. Berlin: Cornelsen Scriptor.
Laevers, F. (2003). Making care and education more effective through wellbeing and involvement. In: F. Laevers & L. Heylen (Hrsg.). Involvement of children and teacher style. Leuven: Leuven University Press. 13-24.
Mayr, T. (1992a). Hyperaktivität, Aggressivität und Peer-Status bei Vorschulkindern. In: Zeitschrift für Klinische Psychologie, 21, 392-410.
Mayr, T. (1992b). Die soziale Stellung schüchtern-gehemmter Kinder in der Kindergartengruppe. In: Zeitschrift für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie, 24, 249-265.
Mayr, T., & Ulich, M. (2003). Seelische Gesundheit bei Kindergartenkindern. In: W. E. Fthenakis (Hrsg.). Elementarpädagogik nach PISA. Wie aus Kindertagesstätten Bildungseinrichtungen werden können. Freiburg: Herder. 190-207.
Perren, S., Groeben, M., Stadelmann, S., & von Klitzing, K. (2008). Selbst- und fremdbezogene soziale Kompetenzen: Auswirkungen auf das emotionale Befinden. In: T. Malti & S. Perren (Hrsg.). Soziale Kompetenz bei Kindern und Jugendlichen. Entwicklungsprozesse und Fördermöglichkeiten. Stuttgart: Kohlhammer. 89-107.
Petermann, F., & Wiedebusch, S. (2003). Emotionale Kompetenz bei Kindern. Göttingen: Hogrefe.
Ravens-Sieberer, U., Ellert, U., & Erhart, M. (2007). Gesundheitsbezogene Lebensqualität von Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Eine Normstichprobe für Deutschland aus dem Kinder- und Jugendgesundheitssurvey (KIGGS). In: Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz 50 (5-6), 810- 818.
Rubin, H. H., Bukowski, W., & Parker, J. G. (1998). Peer interactions, relationships, and groups. In: N. Eisenberg (Hrsg.). Handbook of child psychology, Vol. 3: Social, emotional, and personality development. John Wiley: New York. 619-700.
Schmidt-Denter, U. (2005). Soziale Beziehungen im Lebenslauf. Weinheim: Beltz. Spangler, G., & Zimmermann, P. (1999). Bindung und Anpassung im Lebenslauf: Erklärungsansätze und empirische Grundlagen für Entwicklungsprognosen. In: R. Oerter, G. Röper & C. von Hagen (Hrsg.). Lehrbuch der klinischen Entwicklungspsychologie. Weinheim: Beltz. 171-194.
Ulich, M., & Mayr, T. (2003). Implementing the Involvement Scales in German day care centres. In: F. Laevers & L. Heylen (Hrsg.). Involvement of children and teacher style. Leuven: Leuven University Press. 25-41.
WHO – Weltgesundheitsorganisation (2006). Verfassung der Weltgesundheitsorganisation.
Werner, E. (1971). The children of Kauai: a longitudinal study from the prenatal period to age ten. Honolulu: University of Hawaii Press.
Werner, E., & Smith, R. (1982). Vulnerable but invincible. A longitudinal study of resilient children and youth. New York: McGraw.