Sozialraumorientierung
– auch im Bildungsbereich?
Die Aufschlüsselung von Hilfe- bzw. Handlungsbedarfen nach Sozialräumen hat ihren Ursprung in der Jugendhilfe und Sozialarbeit, z.B. im Bereich der aufsuchenden Jugendsozialarbeit, in der Vereins – oder verbandlichen Jugendgruppenarbeit oder in der mobilen Kinder- und Jugendarbeit: In diesen Arbeitsfeldern ist es seit langem üblich, Angebote zu entwickeln, die auf die spezifischen Bedarfe eines Sozialraums zugeschnittenen sind (z.B. Holz 2008; Kurz-Adam 2008; Lindner und Kilb 2005). Als theoretischer Bezugsrahmen dient i.d.R. das „ökologische Paradigma“ oder das „sozialökologische Modell“ von Bronfenbrenner.
„Mit der Verortung von Kindertageseinrichtungen als Bildungseinrichtungen stellt sich die Frage der sozialräumlichen Orientierung nunmehr auch für den Elementarbereich.“
Relativ neu ist, dass diese ökologisch-sozialräumliche Perspektive nun zunehmend auf das Bildungssystem übertragen wird, weil sich auch Bildungschancen und -karrieren von Kindern sozialräumlich manifestieren, z.B. über den Zugang zu oder den Ausschluss von Bildungssystemen (Landeshauptstadt München, 2010; Mack & Schröder, 2005; Stadt Freiburg, 2010). Dabei ging es zunächst vor allem um die kommunale, sozialräumliche Orientierung im Bereich der Schulentwicklung. Im Unterschied zum traditionellen Verständnis von Schule als einem autonomen, vom sozialen Umfeld deutlich abgegrenzten Bildungsraum wird bei der sozialräumlichen Orientierung die strikte Grenzziehung zwischen Schule und sozialem Umfeld infrage gestellt. Stattdessen wird Schulentwicklung als wichtiges Element lokaler Bildungspolitik thematisiert und der Sozialraum als Ressource für die Herstellung von Bildungsgerechtigkeit gesehen. Besonderer Handlungsbedarf besteht dabei vor allem bei Schulen im „unteren“ Bildungsbereich (Mack und Schröder 2005, S. 346). Zentrale Konfliktfelder einer sozialräumlichen Schulentwicklung sind in Deutschland u.a. die geteilte Zuständigkeit für Schulen (für Schulbau und materielle Ausstattung sind die Kommunen verantwortlich, für Inhalte und Personal die Bildungsadministration der Länder) und die strikte Trennung von Schule und sozialer Arbeit.
Mit der Verortung von Kindertageseinrichtungen als Bildungseinrichtungen stellt sich die Frage der sozialräumlichen Orientierung nunmehr auch für den Elementarbereich. Mittlerweile gibt es in Deutschland erste solche Ansätze (z.B. Kraus, 2009). Andere Länder, wie z.B. Kanada, sind in diesem Bereich aber schon wesentlich weiter.
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Quelle und Autoren
Dieser Artikel unter dem Namen "KOMPIK auf Sozialraumebene (3)" erschienen in KiTa aktuell BY 2011 Heft 12, S. 284-287.
Toni Mayr
Dipl.- Psychologe, München, war bis zu seinem Tode wissenschaftlicher Referent am Staatsinstitut für Frühpädagogik, IFP
Martin Krause
Dipl.- Psychologe, München, Wissenschaftlicher Referent am Staatsinstitut für Frühpädagogik, IFP